Artikel vom 05.05.2008




Die Landesregierung von Brandenburg reagiert jetzt auf die wachsende Unruhe in der Bevölkerung nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom Dezember 2007. In einem ersten Arbeitsschritt soll das Kommunalabgabengesetz verändert werden, um die Verjährungsfrist für die Beitragserhebung zu verlängern.
Damit soll der Handlungsdruck von den Verbänden und Gemeinden genommen werden, um erst einmal die Auswirkungen des Urteils näher beleuchten zu können.

In einem zweiten Schritt soll eine Datenabfrage bei den Verbänden erfolgen, um zu ermitteln, wie viele Bürger von dem Urteil betroffen sind. Dafür werden Erhebungsbögen aus Mecklenburg-Vorpommern verwendet, wo eine ähnliche Problematik aufgetreten ist.

Die Daten sollen dann durch externe Institutionen ausgewertet werden. Danach soll die weitere Vorgehensweise abgestimmt werden.

Hintergrund ist das Aufsehen erregende Urteil des OVG Brandenburg vom 12.12.2007 (OVG 9 B 44.06). Das OVG hatte entschieden, dass Beiträge auch für sogenannte "Altanschlüsse" zu zahlen sind, selbst wenn diese schon zu DDR-Zeiten hergestellt wurden. Es hat in diesem Zusammenhang nach der Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG-BBG entschieden, dass im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung nicht der Zeitpunkt des ersten Versuchs der Gemeinde oder des Zweckverbands, eine wirksame Beitragssatzung zu erlassen, maßgebend sei, sondern der der Zeitpunkt des Inkrafttretens der (ersten) rechtswirksamen Satzung. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes, namentlich des Rückwirkungsverbots, stehen der Beitragserhebung auf Grund einer solchen Satzung nach Auffassung des OVG auch dann nicht entgegen, wenn dies nach der Rechtsprechung zur alten Fassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG nicht mehr möglich gewesen wäre.

Nach der früheren Rechtsprechung des OVG Brandenburg musste eine "heilende" Satzung sich Rückwirkung auf den Zeitpunkt des ersten Versuchs der Gemeinde oder des Verbandes, wirksames Satzungsrecht zu schaffen, beimessen. Es hatte dies damit begründet, dass die Kommune insofern keines Schutzes mehr bedürfe, da sie selbst das Entstehen der Beitragspflicht durch die erste, wenn auch ungültige Satzung herbeiführen wollte. Durch die Neufassung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG ist dieser Rechtsprechung durch den Gesetzgeber ein Riegel vorgeschoben worden. Ähnlich wie in Sachsen-Anhalt soll sichergestellt werden, dass die Verjährung erst mit der Verabschiedung einer wirksamen Satzung beginnt. Das kann 10 20 50 oder 100 Jahre nach der Herstellung der Anlage sein. Ganz sicher wird man niemals sein können, weil es niemals eine Garantie geben wird, dass eine Satzung nicht irgendwann doch von einem Gericht für Unwirksam erklärt werden wird. Damit besteht für den Bürger keinerlei Rechtssicherheit mehr, was offenbar vom Gesetzgeber und dem Gericht in Kauf genommen wurde, um den Kommunen und Verbänden die Einnahmen zu sichern. Leider hat das OVG die Chance verpasst, selbstbewusst dem Vertrauensschutz der Bürger eine Bresche zu schlagen, sondern beugte sich den fiskalischen Interessen des Landes und der Kommunen.

Hierzu erklärte der Präsident des VDNG (Verband deutscher Grundstücksnutzer) Eckart Beleites:

" Es verstärkt sich der Eindruck, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Land Brandenburg im Vergleich zu anderen Ländern ein willfähriger Diener der Regierung ist.

Nach dem Urteil stelle sich die Frage, wie ernst es die Regierung mit dem Vertrauensschutz in diesem Lande meine.

Bürger und Wirtschaft können sich nicht mehr auf staatliches Handeln verlassen.

Die Rechtswirksamkeit einer kommunalen Satzung, die Einhaltung von Verjährungsfristen, die Rechtmäßigkeit, Angemessenheit und Höhe von Forderungen müssen sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Leben langfristig verläßlich sein.

Die Verpflichtung der Zweckverbände, bereits Beitragsforderungen, die den Charakter der Verjährung aufweisen, nachträglich geltend machen zu müssen, widerspricht unserer Auffassung nach jedem rechtsstaatlichen Prinzip.

Diese Vorgehensweise der Landesregierung von Brandenburg ist der blanke Hohn gegenüber den Betroffenen. Die Beitragserhebung für Altanschlüsse wird Zehntausenden Grundstückseigentümern in Brandenburg erneut massive finanzielle Belastungen bringen, die auf höchst windigen Rechtskonstruktionen beruhen. Anstatt dieses Problem einer vernünftigen Lösung im Sinne der Brandenburger Bürger zuzuführen, will die Landesregierung das Abkassieren für Altanschlüsse hinter die Kommunalwahlen im September 2008 verschieben. Dazu will sie das Kommunalabgabengesetz ändern, anstatt mit einer Gesetzesänderung die Beitragserhebung für Altanschlüsse grundsätzlich zu unterbinden und damit endlich den Einigungsvertrag von 1990 zu erfüllen. Dieses Vorgehen stellt nicht nur einen billigen politischen Trick dar, es spricht auch Bände über das Rechtsverständnis, das in der Brandenburger Landesregierung herrscht. Insofern reiht es sich „würdig“ ein in die Liste von Verstößen gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, die mit der sittenwidrigen Aneignung von Bodenreformland ihren bisherigen Höhepunkt gefunden hatte."

Die Sorge des VDNG ist durchaus berechtigt. Es verstärkt sich der Eindruck, dass auf dem Altar offensichtlich fiskalischer Interessen mit leichter Hand rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen werden. Es verblüfft, mit welcher Leichtigkeit die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit im Kommunalabgabenrecht im gesamten Osten des Landes für obsolet erklärt werden.
Massiver Widerstand ist angesagt. Offenbar ist das Urteil des OVG selbst der Landesregierung nicht geheuer und sie versucht, erst einmal Zeit zu gewinnen. Insofern ist der Argwohn des VDGN nicht so ganz abwegig, dass nur Zeit gewonnen werden soll, um nach den Landtagswahlen die Rechnung zu präsentieren. Ausserdem ist zu befürchten, dass eine einmal veränderte (natürlich verlängerte) Verjährungsfrist für die Beitragserhebung nicht mehr rückgängig gemacht wird. In Anbetracht der faktisch völligen Entwertung des Instituts der Verjährung im Beitragsrecht ist diese Problem allerdings eher von geringem Gewicht.

Wolf-Rüdiger Beck

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