Artikel vom 09.10.2008




Nach der zum 1. Januar 2009 geplanten Übernahme der Aufgaben des Abwasserzweckverbandes (AZV) "Bodeniederung" in Groß Börnecke will der Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV) "Bode-Wipper" Staßfurt bei den Schmutzwassergebühren länger als ursprünglich geplant mit zwei getrennten Abrechnungsgebieten arbeiten.

Der nunmehr vorliegende Vertragsentwurf, der die Modalitäten der Zusammenarbeit regeln soll, geht jetzt nicht mehr von einem Zeitrahmen bis zum Jahr 2019, sondern bis zum 31. Dezember 2023 aus. Dann läuft der Vertrag der "Bodeniederung"-Gemeinden mit dem privaten Betreiber des Abwasserprojektes, der WTE Wassertechnik Betriebsgesellschaft mbH Gaensefurth, aus.

Ein weiterer Knackpunkt des Entwurfes ist die geplante Übertragung der Kredite, die der AZV damals mit Zustimmung der Kommunalaufsicht zum Ausgleich der Gebührendefizite aufgenommen hatte, auf die Mitgliedsgemeinden. Sie hatten diesen Schuldenberg in den vergangenen Jahren bereits durch Umlagezahlungen reduziert. Jetzt sind noch rund zehn Millionen Euro offen. Diese Summe soll entsprechend der Einwohnerzahl auf die Kommunen aufgeteilt werden.

Sie sollen sich dem Vertragsentwurf zufolge auch verpflichten, dem aufzulösenden AZV die Kosten zu erstatten, falls die bei den Verwaltungsgerichten anhängigen Verfahren, zum Beispiel gegen die neue Gebührensatzung, zu Ungunsten des Verbandes ausgehen sollten. Das gleiche soll für den Fall gelten, falls die Vermögens- übertragungen auf den WAZV mit Steuerzahlungen verbunden sind sowie für die entstandenen, aber nicht mehr entgeltfähigen Jahresverluste des AZV aufgrund von Wertberichtigungen und für die Kosten der Abwicklung des AZV.
Derart hohe Zusatzbelastungen zu schultern, das lehnen die Städte Hecklingen und Egeln sowie die Gemeinden Borne und Hakeborn kategorisch ab. Deren Kommunalpolitiker verwiesen auf die angespannte Haushaltslage ihrer Orte, die sich mit Ausnahme von Egeln und Borne nur noch durch Liquiditätshilfen vom Land über Wasser halten und keine nennenswerten Investitionen mehr durchführen können. Das würde sich durch die Aufteilung der Schulden des AZV noch verschärfen.

Davon sind auch die Bürger direkt betroffen. Denn das Land verlangt als Gegenleistung für die Liquiditätshilfen, dass die Gemeinderäte die Steuerhebesätze auf den Landesdurchschnitt anheben und kostendeckende Gebühren für die Friedhofsdienstleistungen und die Nutzung von kommunalen Einrichtungen einführen.

Das Land droht mit dem Entzug von Liquiditätshilfen, sollten die betroffenen Gemeinden die Zustimmung zu dem Vertragswerk verweigern. Staatsekretär Erben brachte darüber hinaus auch den Gesichtspunkt der Zwangsverwaltung für zahlungsunfähige Gemeinden ins Gespräch.

Landrat Ulrich Gerstner (SPD) appelliert daher an die betreffenden Stadt- und Gemeinderäte, der zum 1. Januar 2009 geplanten Aufl ösung des Abwasserzweckverbandes "Bodeniederung" (AZV) in Groß Börnecke und der Übernahme seiner Aufgaben durch den Wasser- und Abwasserzeckverband (WAZV) "Bode-Wipper" in Staßfurt zuzustimmen.

"Ich bin der Hoffnung, dass wir das hinbekommen", sagte der Kreischef im Anschluss an die erste gemeinsame Sitzung mit den Bürgermeistern und Vertretern der Mitgliedskommunen beider Verbände, zu der Gerstner Dienstagabend in das Landratsamt nach Bernburg eingeladen hatte. Daran nahmen auch Vertreter des Innen- und des Umweltministeriums, des Landesverwaltungsamtes sowie der Kommunalaufsicht des Salzlandkreises teil.

"Ziel war es, alle auf den aktuellen Sachstand zu bringen, so dass jetzt in den Gemeinderäten mit dem gleichen Kenntnisstand diskutiert, beraten und hoffentlich auch entschieden wird", sagte der Landrat, der von einer ganz sachlichen Diskussionsrunde zu diesem schwierigen Thema sprach.

Dort sei auch der Vertragsentwurf vorgestellt worden, der die Modalitäten für die Zusammenarbeit beider Verbände regeln soll und der auch die Schulden des AZV sowie die finanziellen Risiken für die Mitgliedskommunen des Verbandes "Bodeniederung" beschreibe.
In Anspielung auf die Festlegung, dass die AZV-Kommunen den Kredit in Höhe von rund zehn Millionen Euro abtragen sollen, mit dem der Verband Gebührendefizite finanziert hatte, sagte Gerstner: "Wir wollen eine Lösung innerhalb der nächsten Jahre." Das Land sei dann scheinbar letztmalig dazu bereit, die Gemeinden des AZV "Bodeniederung", die mit der Finanzierung Probleme haben, in Form von Liquiditätshilfen aus dem sogenannten Ausgleichsstock für notleidende Kommunen zu unterstützen.

Dieses aufgezeigte Verfahren sei für alle Beteiligten der günstigste Weg, erklärte Gerstner, der dazu keine echte Alternative sieht.
Wenn es zu keiner einheitlichen Entscheidung der Kommunen komme, die dem Vertrag, der Auflösung des AZV und der Übernahme der Schmutz- und Niederschlagswasserentsorgung durch den WAZV zustimmen müssen, werde die Situation aus seiner Sicht eher schwieriger. Denn dann bleiben die Schulden des AZV erhalten und das Land werde keine weiteren Finanzhilfen bereitstellen.

Der Gemeinderat Neundorf beschloss bereits die Aufgabenübertragung wie die geforderte Verpflichtungserklärung zur anteiligen Übernahme der Verbindlichkeiten.
" Wir sind ja als Kommunen selbst mit Schuld an der Misere. Indirekt sicher auch andere ", meinte Klaus Maaß ( Die Linke ) Donnerstagabend im Gemeinderat, " Die Kommunen haben damals trotz besseren Wissens keine höheren Gebühren verlangt obwohl sie nötig gewesen wären. " Es gebe keine andere Lösung, " als die Suppe gemeinsam auszulöffeln ", stimmte der Abgeordnete Bürgermeister Michael Stegmann ( CDU-Fraktion ) zu. Der hatte von einer Versammlung mit Vertretern des Innenministeriums und Landesverwaltungsamtes beim Landrat die Empfehlung mitgebracht, " nach vorn zu schauen ", entsprechend der Fusionsabsichten den vorliegenden Beschlüssen zuzustimmen.

Gerhard Fischbach ( CDUFraktion ) äußerte, er habe mit der Verpfl ichtungserklärung ein Problem : " Ich kann mich doch nicht zu einer Zahlung verpflichten, wenn ich es gar nicht kann, weil ich kein Geld habe. "
Der Bürgermeister beruhigte ihn damit, dass selbst Verantwortliche in Staßfurt ( Eingemeindung zum 1. Januar 2009 steht bevor, d. A. ) signalisiert hätten, Neundorf könne sich ja eigentlich zurücklehnen, was die Finanzen betrifft und die Angelegenheit mit dem AZV werde übernommen. " Wenn nötig, kann auch Staßfurt Liquiditätshilfe beantragen. "

Auch Hans-J ürgen Sauer ( CDU-Fraktion ) sah das so, dass die Stadt Staßfurt die Finanzen der Gemeinde Neundorf genau kenne, und wisse, worauf sie sich da einlasse. " Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende ", kommentierte er noch, " Selbst wenn es 15 Jahre dauert. "
Olaf Sonnabend ( CDUFraktion ) sprach nochmal das Thema Gebührenentwicklung für den jetzigen WAZV Bode-Wipper an, wenn die Fusion mit dem AZV vollzogen ist. " Es gibt bis 2023 parallele Abrechnungsgebiete. Sonst hätte der WAZV nicht mitgespielt im Interesse seiner Kunden ", antwortete Michael Stegmann.
Auch in Staßfurt sind erste Hürden genommen. Sowohl der Wirtschafts- und Finanzausschuss als auch der Bauausschuss empfahlen dem Stadtrat, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen und Bürgermeister René Zok ( parteilos ) zu ermächtigen, das Vertragswerk zu unterzeichnen.

Kritisch äußerte sich der Vorsitzende des Wirtschafts- und Finanzausschusses, Corinthus Schobes ( Unabhängige Bürgervertretung ), dazu. " Ein Vorteil für Bode-Wipper ist nicht zu erkennen ", sagte er. Das Ganze sei wirtschaftlich nicht durchgerechnet. Schobes : " Als Wirtschaftsunternehmen würde ich diesen Abmachungen mit dem Land, das doch nur Ruhe haben und da endlich rauskommen will, nicht abschließen. "

Staßfurt werde wie Aschersleben in den nächsten Jahren keine Liquiditätshilfen aus dem Ausgleichsstock für notleidende Gemeinden bekommen. Derartige Finanzspritzen hatte der Staatssekretär des Innenministeriums, Rüdiger Erben, den Mitgliedskommunen der " Bodeniederung " in Aussicht gestellt, die nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft ihren Anteil vom Schuldenberg des Abwasserverbandes abzutragen.

Heinz- Jürgen Czerwienski ( CDU / offene Liste / FDP ) spielte auf die Festlegung im Vertragsentwurf an, wonach es bis 2023, wenn der Vertrag mit dem privaten Betreiber der Anlagen der " Bodeniederung " ausläuft, zwei getrennte Abrechnungsgebiete für Abwasser im WAZV geben soll. Es sei ein Problem, wenn es in einer Stadt zwei unterschiedliche Gebührensätze gebe und die Staßfurter im nächsten Jahr nur noch 1,96 je Kubikmeter bezahlen, die Einwohner der Ortsteile Löderburg und Neundorf aber 6,16 Euro.

Hier eine schnellere Annäherung hinzubekommen, ohne dass die Preise in Staßfurt hochgehen, das sei nicht möglich, betonte Köpper.
" Wir wollen hoffen, dass es dann in sieben Jahren besser wird ", sagte Angelika Flügel ( Die Linke ). Der Abbau der Altschulden des Verbandes, die auch als negatives Eigenkapital bezeichnet werden, habe mit den Gebühren nichts zu tun, erläuterte Köpper.

Zustimmung signalisierten die Mitglieder des Wirtschafts- und Finanzausschusses auch den neuen Gebührensatzungen des WAZV für die Schmutzwasserentsorgung und das Trinkwasser, die ab dem 1. Januar 2009 in Kraft treten sollen.
Beim Abwasser soll die Gebühr für die zentrale Entsorgung von derzeit 2, 23 Euro je Kubikmeter auf 1, 96 Euro sinken. Beim Trinkwasser wird eine Anhebung der Mengengebühr um zwei Cent je Kubikmeter auf 1, 22 Euro angepeilt. Die nach der Nennleistung der Wasserzähler berechnete Grundgebühr soll für ein Einfamilienhaus von 6, 42 Euro pro Monat auf 7,06 Euro klettern. Eine Umstellung auf eine Grundgebühr pro Wohneinheit wurde verworfen.

Der Verein „bezahlbares Abwasser“ weist auf die Mitverantwortung des Landes für die eingetretene Misere hin, von der es beflissentlich ablenke. Der Bericht des Landesrechnungshofes über den AZV Bodeniederung zeige auf über 100 Seiten das totale Versagen des Landes, seiner Behörden und des Abwasserzweckverbandes. Eine Aufarbeitung sei in keinem einzigen Gremium, zumindest nicht öffentlich-keits-wirksam erfolgt. Zu erdrückend seien offenbar die Vorwürfe! Viel zu spät durchgeführte interne Prüfungen stellten oftmals nur noch Verjährungen zu zahlreichen Tatbeständen fest. Die Bürger und Gemeinden sollten die Suppe auslöffeln.
Der Verein dokumentiert auf seiner Internetseite detailliert die verhängnisvollen Abläufe seit 1991. Hingewiesen wird darauf, dass der AZV Bodeniederung r das Pilotprojekt nach privatem Betreibermodell in den neuen Bundesländern sein sollte, wodurch dieses entsprechend stark im Fokus diverser Politiker von Bund, Land und Kreis standen. Das technische Konzept, die Finanzierungspläne sowie die Berechnungen zur Refinanzierung lagen dem Umweltministerium vor und wurden entsprechend den Hinweisen des Ministeriums korrigiert. Ende 1999 bis Anfang 2000 sei zudem eine Managementunter-stützungsgruppe des Umweltministeriums im AZV tätig gewesen, was aber leider auch keine nachhaltige Verbesserung in der Arbeit des Verbandes gebracht habe. Trotz enormer Ausgaben von insgesamt knapp 1,5 Millionen Euro für Beratungsleistungen seien organisatorische Mängel im Verband bis heute noch nicht einmal vollständig beseitigt. Dies begünstigte das Zustandekommen riesiger offener Forderungen in Höhe von rund 6 Millionen Euro bis 2007, was ca. einem Jahresumsatz des Verbandes entspricht. Davon sind fast 900.000 Euro verjährt, über 1,6 Millionen Euro sind durch Insolvenz nicht mehr beitreibbar.
Der Verein fordert das Land auf, sich zu seiner Verantwortung zu bekennen und die Kommunen nicht im Regen stehen zu lassen.

Der Beitrag fasst verschiedene Artikel in der Volksstimme zwischen dem 23.09.08 und dem 02.10.08 zusammen

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