Artikel vom 17.12.2008




Im Untreue-Verfahren gegen Angersdorfer Gemeinderäte und den Bürgermeister wurde nun eine salomonische Entscheidung getroffen. Das Verfahren soll gegen Zahlung einer Geldbuße von je 200 € wegen geringer Schuld eingestellt werden.
Die MZ berichtet über die gestrige Wendung im Prozess:

"Dieser Entscheidung war ein Justiz-Marathon vorausgegangen. Nachdem das Amtsgericht und das Landgericht die sieben Männer und eine Frau bereits freisprachen, hatte das Oberlandesgericht in Naumburg im Sommer 2007 eine Neuaufnahme des Verfahrens am Landgericht in Halle angeordnet.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Gemeinderat von Anfang an vorgeworfen, im Jahre 2001 zum Nachteil der Gemeinde gehandelt zu haben. Dabei ging es stets um den umstrittenen Ausbau der Bergstraße in Angersdorf. Anlieger konnten dafür nicht zur Kasse gebeten werden, weil die Kommune zu diesem Zeitpunkt trotz entsprechender gesetzlicher Festlegungen noch über keine entsprechende Satzung verfügte. Darüber waren sich die Angeklagten schon zum damaligen Zeitpunkt im Klaren, wie aus dem Protokoll einer Gemeinderatssitzung hervorging.

Durch den Verzicht auf die Anliegerbeiträge habe die Kommune, so die Staatsanwaltschaft in einem früheren Verfahren, 190 000 Euro weniger als maximal möglich eingenommen. Aus Sicht des Landgerichtes sprach aber auch eine Menge dafür, dass der Gemeinderat im Interesse der Bürger zu handeln glaubte. Es gebe überhaupt keine Anhaltspunkte, so Richter Grubert, für eine persönliche Vorteilsnahme. Ein Verschulden sei zwar unstrittig, aber so gering, dass es nicht zwangsläufig mit einem Urteil geahndet werden müsste. Und über die tatsächliche Schadenshöhe habe es keine gerichtlich überprüften Angaben gegeben."

Hintergrund der Gesamtproblemtik ist, dass das Kommunalabgabengesetz von Sachsen-Anhalt die Kommunen zu Beitragserhebungen verpflichtet. Anders als in Sachsen steht die Beitragserhebung nicht im Ermessen der Kommune - unabhängig davon, in welcher wirtschaftlichen Verfassung sich diese befindet. Der Landesgesetzgeber hat das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden in diesem Punkt deutlich eingeschränkt.
Seit der Novellieung des KAG-LSA vom 16.04.1999 gilt, dass vor der Beschlußfassung über eine Ausbaumaßnahme eine Ausbaubeitragssatzung vorliegen muss. Fehlt diese, ist auch eine rückwirkende Beitragserhebung nicht möglich. Für alle Maßnahmen, die vor diesem Stichtag beschlossen wurden, besteht jedoch eine Nacherhebungspflicht. In diesen Fällen können und müssen die Kommunen nachträglich Beitragssatzungen verabschieden und diese umsetzen. Das Recht ist insofern zweigeteilt.
Für den Bürger ist das nicht nachvollziehbar. Das gilt umso mehr als die Geschichte des KAG sehr deutlich zeigt, dass der Gesetzgeber von Anfang an davon ausgegangen war, dass für satzungslose Zeiten eigentlich keine Beiträge erhoben werden sollten. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat hier jedoch gegen den Willen des Landesgesetzgebers in einem jahrelangen beispiellosen Streit durch eine eigenwillige Auslegung der landesrechtlichen Regelungen eigenes - den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderlaufendes - Recht gesetzt, bis der Gesetzgeber mit der klaren Änderung aus dem Jahre 1999 ein Machtwort sprach, das jedoch die - aus der Sicht des Gesetzgebers - fehlerhafte Interpretation durch das OVG nur für die Zukunft, nicht aber rückwirkend aufheben konnte. Das Gericht war über diese "Basta"-Regelung so verärgert, dass es die Anwendung sehr restriktiv nicht für die Baumaßnahmen akzeptierte, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen wurden, wenn die Beschlußfassung für den Ausbau vor dem Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes lag. Das OVG folgt damit seiner fiskalradikalen Auslegung des KAG, die das Gesetz aus dem Jahre 1999 eigentlich eindämmen wollte und die im Übrigen auch klar den Intentionen des Gesetzgebers zuwiderläuft. Das OVG Sachsen-Anhalt zeigt damit keinerlei ernsthafte Neigung, durch eine differenzierende Rechtsprechung Vertrauen des Bürgers in den Rechtsstaat zu fördern.

Wolf-Rüdiger Beck

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