Artikel vom 27.06.2009




Der Präsident des Landesrechnungshofs, Ralf Seibicke, kritisierte bei der Vorstellung des Jahresberichts der Rechnungsprüfer in Magdeburg, dass Posten in die Gebührenkalkulation bei Kommunen und Verbänden eingerechnet würden, die dort nichts zu suchen hätten und dem Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalts widersprächen. Scharfe Kritik übte der er an der Kommunalaufsicht, der diese kommunale Praxis bei der Gebührenerhebung lange bekannt sei. "Eigentlich müsste man von der Verwaltung erwarten können, dass sie nach Recht und Gesetz handelt." Gebe es aber offensichtlich Defizite, erwarte er, dass die Kommunalaufsicht tätig werde.

Neben den von Seibicke angeführten Beispielsfällen der Abfallgebührenkalkulationen von Halle und Dessau-Roßlau könnten zahlreiche weitere Fälle angeführt werden. Schon im Jahre 2000 hat das Verwaltungsgericht Dessau die Abfallgebührensatzung der Stadt Wittenberg für rechtswidrig befunden, weil sie unzulässige Quersubventionierungen von Teileinrichtungen enthalten habe. Im März 2007 erklärte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die Kalkulation der Niederschlagswassergebühr im AZV Rippachtal für rechtswidrig, wegen unzulässiger Pauschalierung von versiegelten Flächen. Im Mai 2007 stellte das Verwaltungsgericht Halle fest, dass im AZV Hasselbach-Thierbach in der Kalkulation der Kanalanschlußbeiträge schwere Fehler enthalten waren, für denselben Verband befand das OVG Sachsen-Anhalt im April 2009, dass die Kalkulation der Gebühren für die Inanspruchnahme von Bürgermeisterkanälen fehlerhaft war. Im Mai 2008 kippte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt die Satzungsbestimmungen des AZV Salza wegen schwerwiegender Rechenfehler in der Kalkulation der Hausanschlußkosten. Im Dezember 2008 hielt das OVG die Berechnung der Grundgebühren im AZV Nebra für fehlerhaft. Im April 2009 entschied das Verwaltungsgericht Halle gegen den AZV Südharz und erklärte die Gebührenbereichnung für Teileinleiter für rechtswidrig.

Zu Recht kritisiert der Präsident des Landesrechnungshofes die offensichtlich zutage tretende Unfähigkeit der Kommunen und Verbände, die Gebühren und Beitragsberechnungen in Einklang mit den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes zu bringen.

Mit der in Aussicht gestellten Sachkompetenz größerer Verbände und größerer Kommunen ist es nicht weit her. Diese sind mit der Erstellung belastbarer Kalkulationen nicht selten überfordert, deren Fehler in schöner Regelmässigkeit fast immer zu Lasten der Bürger gehen. Ärgerlich ist, dass es immer des enormen Einsatzes einzelner, engagierter Bürger bedarf, um die Mißstände aufzudecken und dass die eigentlichen Gremien oder die Kommunalaufsicht nicht willens oder in der Lage sind, die Problemfelder rechtzeitig aufzuzeigen.
Auch vor Gericht sind die Bürger dann ohne Chance, wenn sie nicht in der Lage sind, haarklein die Fehlerhaftigkeit einer Gebührensatzung aufzulisten. Der Amtsermittlungsgrundsatz ist hier längst Makulatur geworden. Gerichte prüfen nur, was ihnen auf dem Silbertablett präsentiert wird. Wenn aber schon die Fachleute in den Kommunen und VErbänden nicht in der Lage sind, die Probleme zu erkennen und rechtssicher zu lösen, wie kann dann vom Bürger erwartet werden, dass er dem Gericht entscheidungsreif die Kalkulationsfehler auf den Tisch legt? Das Problem dabei ist zudem, dass das "Herrschaftswissen" allein auf Seiten der Verbände ist und es für die Bürgerinitiativen oft ein mühseliges Unterfangen ist, an die notwendigen Daten und Informationen zu gelangen. Mühselig, da sie ja - anders als die Verbände - weder über "kaufmännische Abteilungen" verfügen, noch aussenstehende "Dienstleister" zur Zuarbeit heranziehen können, wie dies die Verbände in solchen Verfahren auf Kosten der Gebühren- und Beitragszahler regelmässig tun.

Ein Skandal ist, dass die Kommunalaufsicht des Landes hier offenbar auf beiden Augen blind ist. Auf diese Weise wird die strukturelle Problematik durch demographische Probleme, Mehrkosten durch Fehlplanungen in der unmittelbaren Nachwendezeit und Mißwirtschaft noch unnötig verstärkt. Ein kritischer Blick auf die Kalkulationen könnte nicht selten dazu führen, dass dem Bürger ohne großen Aufwand Kostenerleichterungen zugebilligt werden können. Drastisches Beispiel ist das Urteil des VG Magdeburg gegen den AZV Bodeniederung vom März 2009. Hier hatte sogar die Kommunalaufsicht selbst per Ersatzvornahme einen rechtswidrigen (!) Schmutzwassergebührensatz von 6,16 €/m³ durchgesetzt, welcher vom Verwaltungsgericht dann nach akribischer Vorarbeit der örtlichen Bürgerinitiative "gekippt" wurde. Es ist an der Zeit, dass das Land diese Probleme entschieden angeht. Es muss speziell geschultes Personal den Aufsichtsbehörden zur Verfügung gestellt werden und jede Gebühren- oder Beitragskalkulation muss einer genauen Prüfung unterzogen werden. Millionenbeträge werden den Bürgern von Sachsen-Anhalt (den Einkommenschwächsten im Bundesgebiet!) seit Jahren zu Unrecht aus der Tasche gezogen. Damit muss es ein Ende haben!


Link: