Artikel vom 26.08.2009




Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Umständen einem Grundstückseigentümer die Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang (ABZ) an die öffentliche, zentrale Kanalisation zu gewähren ist. Im entschiedenen Fall wurde das im Jahre 1996 bebaute Grundstück über eine funktionierende, zugelassene Schilfkläranlage entsorgt. Die Besonderheiten des Grundstücks brachten es mit sich, dass die baulichen Aufwendungen für einen zentralen Anschluß den Eigentümer mindestens 26.000 € betragen hätten, zusätzlich zu den dann ohnehin noch anfallenen Anschlußbeiträgen. Der bayer. VGH entschied in seinem Urteil vom 15.10.2008 (4 ZB 09.433), dass diese Aufwendungen dem Grundstückseigentümer durchaus zuzumuten seien.

Das Eigentumsrecht des Grundeigentümers, der auf seinem Grundstück eine private Kläranlage betreibt, sei von vornherein dahin eingeschränkt, dass er seine Anlage nur solange benutzen darf, bis die Gemeinde von der ihr gesetzlich zustehenden Befugnis Gebrauch mache, die Abwasserbeseitigung "aus vorrangigen Gründen des öffentlichen Wohls, namentlich der Volksgesundheit, in ihre Verantwortung zu übernehmen und hierfür den Anschluss- und Benutzungszwang anzuordnen."

Das gilt nach der Auffassung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (und anderer Obergerichte) auch dann, wenn der Grundstückseigentümer auf seinem Grundstück eine private Kläranlage errichtet und bisher betrieben hat, die einwandfrei arbeitet.

Denn durch den Anschluss- und Benutzungszwang - so das Gericht - lässt sich "mit größtmöglicher Sicherheit eine Verunreinigung des Grundwassers durch Abwässer ausschließen. Ein Verzicht auf dieses Maß an Sicherheit würde bereits zu einer dem Allgemeinwohl widersprechenden Gefährdung des Schutzgutes führen."

Dass Kleinkläranlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, ebenfalls eine Verunreinigung des Grundwassers ausschließen und diese oft noch ein besseres Reinigungsergebnis ermöglichen, als eine zentrale Entsorgung, lässt das Gericht unerwähnt.

Immerhin räumt das Gericht ein, dass die Höhe der Anschlusskosten prinzipiell im Einzelfall eine Befreiung rechtfertigen könne. Im vorliegenden Fall seien dem Eigentümer aber Zusatzkosten von 26.000.- € neben den noch anfallenden Beiträgen zumutbar, weil der Wert des Grundstücks mit 80.000 € über diesem Betrag liege und zudem durch die Maßnahme eine "Wertsteigerung" eintrete.

Manchmal macht ein Urteil sprachlos. Es ist erneut ein Beleg dafür, wie weit sich die Gerichte manchmal von der Lebenswirklichkeit entfernen und jegliches Augenmaß verlieren. In Wahrheit geht es hier nicht wirklich um Gesichtspunkte der Gesundheitsvorsorge, sondern um das fiskalische Interesse möglichst die Gesamtheit der Grundeigentümer an die zentrale Kanalisationen anzuschließen, um diese hinreichend auszulasten und die Kosten auf breite Schultern zu verteilen. Man sollte dies dann aber auch klar benennen. Unverständlich ist, warum in derart schwerwiegenden Fällen, wie dem hier entschiedenen, keine Durchbrechung des ABZ möglich sein soll. Der Bazillus des Zentralisierungswahns durchdringt weiterhin die Amts- und Gerichtsstuben.


Link: