Artikel vom 05.10.2009




Drohende Nachzahlungsforderungen der Abwasserzweckverbände an solche Hausbesitzer, die schon zu DDR-Zeiten über Kanalanschlüsse verfügten, erregen die Gemüter und sorgen für Schlagzeilen in den Zeitungen.
"Tauziehen um Abwasserzuschlag" meldet die MZ am 05.10.09. und schon am 12.09.09: "Hausbesitzer mit DDR-Kläranlagen sollen zahlen.

Worum geht es?

Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes in Sachsen-Anhalt an die zentrale Abwasseranlage dauerhaft angeschlossen waren, unterliegen wegen § 6 Abs.6 Satz 3 KAG-LSA nicht der Beitragspflicht für solche Investitionen, die vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen waren.

Gleichwohl vertrat das OVG Sachsen-Anhalt schon in einer Entscheidung vom 18.11.2004 die Auffassung, dass auch altangeschlossene Grundstücke zu gewissen Beiträgen herangezogen werden können, soweit es sich um Investitionen handelt, die nach dem Inkrafttreten des KAG durchgeführt wurden. Es entwickelte dazu die Möglichkeit, einen „besonderen“ Herstellungsbeitrag zu erheben, der seine Rechtfertigung darin finde, dass auch den bereits angeschlossenen Eigentümern, mit der Schaffung der öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne „und der mit der Erneuerung verschlissener Anlagenteile verbundenen dauerhaften Sicherung der Anschlussmöglichkeit Vorteile zugute“ kommen.

Durch diese Formulierung war zunächst unklar, ob das OVG die tatsächliche Erneuerung der Einrichtung als Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht im Hinblick auf den besonderen Herstellungsbeitrag verlangen wollte. Mit der Entscheidung vom 13.07.2006 hat das Gericht jedoch nunmehr klargestellt, dass eine Erneuerung der Einrichtung vor dem veranlagten Grundstück nicht vorausgesetzt wird. Daher gilt, dass aufgrund der Einordnung des Beitragsschuldverhältnisses als Rechtsverhältnis für den Altanschlussnehmer mit Inkrafttreten der Satzung die Beitragspflicht entsteht (§ 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA).

Problematisch an diesen Entscheidungen ist, dass damit ein neuer Beitragstatbestand geschaffen wurde, der im KAG so gar nicht normiert ist. Das VG Halle kritisierte daher diese Auffassung des OVG Sachsen-Anhalt in einer unveröffentlichten Entscheidung.

Weder dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA sei zu entnehmen, dass mit dieser Vorschrift neben den ausdrücklich in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA vorgesehenen Tatbeständen der Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der Einrichtung ein neuartiger, sozusagen „dazwischen liegender“ Abgabetatbestand der „besonderen“ Herstellung geschaffen werden sollte.

in einer späteren Entscheidung hat das OVG Sachsen-Anhalt daraufhin kreativ erläutert, dass der „besondere“ Herstellungsbeitrag im Grunde eben der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA sei, der nur wegen § 6 Abs. 6 Satz 3 eine "Modifizierung" erfahren habe. Somit besteht seit einigen Jahren für die Abwasserzweckverbände die Möglichkeit, auch solche Hauseigentümer zu Herstellungsbeiträgen heranzuziehen, die schon zu DDR-Zeiten über einen Anschluß verfügten. Das Thema ist demnach so neu gar nicht.

In der Beitragskalkulation wird man in der Konsequenz dieser Rechtsprechung auch die Flächen der Grundstücke miteinbeziehen müssen, die an eine alte Zentralentsorgung angeschlossen waren. Da die altangeschlossenen Grundstücke jedoch nur mit einem –verminderten- separaten „Herstellungsbeitrag II“ für solche Investitionen herangezogen werden können, die nach Inkrafttreten des KAG LSA erfolgt sind oder noch erfolgen werden, verbleibt eine Deckungslücke die von den Aufgabenträgern getragen werden muss.

Für die Berechnung des „besonderen“ Herstellungsbeitrages der altangeschlossenen Grundstücke dürfen nach Auffassung des OVG Sachsen-Anhalt jedenfalls solche Kosten nicht einfließen, die ausschließlich dazu dienen, neue Baulandflächen zu erschließen. Im Grunde geht es also vor allem darum, die Eigentümer an den Kosten für die Herstellung, bzw Erweiterung der Kläranlagen zu beteiligen, weniger an solchen Kosten für die neuen Leitungsnetze.

Im Ergebnis wird der Herstellungsbeitrag II erheblich unter den üblicherweise erhobenen Anschlußbeiträgen liegen. Wollen die Verbände einen solchen Beitrag erheben, müssen sie ihre Kalkulation in umfangreich überarbeiten. Neue Rechtsstreitigkeiten sind programmiert, zumal es sich um eine komplexe Materie handelt, Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen und schon die herkömmlichen Kalkulationen Schwierigkeiten bereiten.
Rechtlich ist das Problem jedoch ein "alter Hut" und schon seit 2004 bekannt. Offenbar haben aber die Landesverwaltungsämter erst jetzt begonnen, Druck auf die Abwasserzweckverbände auszuüben, diese mögliche "Einnahmequelle" zusätzlich zu erschließen. Wenn nun die Abwasserzweckverbände in unterschiedlichem Maße davon Gebrauch machen, entstehen neue Ungerechtigkeiten im Land, ganz ähnlich, wie im Falle der Beitragsnacherhebung für den Straßenausbau der frühen 90er Jahre. Auch hier hängt es vom Zufall ab, ob man in einer Gemeinde wohnt, die solche Nacherhebungen aufgrund vorhandener Dokumentationen noch durchsetzen kann, oder ob man das Glück hat, dort wohnhaft zu sein, wo diese Abrechnungsunterlagen schon nicht mehr vorhanden sind. Einheitliche Lebensverhältnisse für die Bürger im Land werden durch derart unterschiedliche Handhabung des Abgabenrechts sicherlich nicht geschaffen. Der Landesgesetzgeber hat in beiden Fällen bisher keinen Anlaß gesehen, einzugreifen.

Verjährt sind Beitragsforderungen im Hinblick auf den Herstellungsbeitrag II erst 4 Jahre, nachdem ein Verband entsprechendes Satzungsrecht geschaffen hat. Wenn dies im Jahre 2005 aufgrund der Rechtsprechung des OVG geschehen ist, würde der Anspruch zum Ende des Jahre 2009 verjähren.

Wolf-R. Beck

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