Artikel vom 23.06.2010




Wie Zivilcourage und das Engagement des ehrenamtlichen Geschäftsführers dem Trinkwasserversorgungszweckverbandes Saale-Unstrut einen Geldsegen beschert

Wolfgang Müller ist ein unerschrockener Mann. Nachdem er vor einiger Zeit zum ehrenamtlichen Geschäftsführer des Trinkwasserversorgungszweckverbands Saale-Unstrut (TWVZV) gewählt wurde, bleibt kein Stein auf dem anderen. Mit mächtigen Gegnern legt er sich an. Und erzielt nun einen bemerkenswerten Erfolg, der dem Verband einen Geldsegen beschert: Knapp 1/2Mill € wird der Betriebsführer, die Fa. „Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft“ (Eurawasser) dem Verband für die Jahre 2003 bis 2009 an womöglich zu viel vereinnahmter Vergütung als Abschlagszahlung erstatten, nachdem offenbar wurde, dass man sich bei der Anpassung des Betriebsführungsentgelts in den letzten Jahren stets zu Ungunsten des Verbandes verrechnet hatte.


Der Vorgang verdient eine etwas nähere Betrachtung. Nachdem im Jahre 2000 die Trinkwasserversorgung im Bereich des Trinkwasserzweckverbands teilprivatisiert wurde, übernahm die zum weltweit operierenden, französischen Suez-Konzern (SUEZ Environment) gehörende Eurawasser durch einen 25-Jahresvertrag die Betriebsführung. Eine GmbH wird gegründet (25,1 % Eurawasser und 74,9 % Trinkwasserzweckverband), die als Dienstleister zwischen Eurawasser und dem Zweckverband fungiert. Ehemalige, nach Auffassung von Beobachtern der Privatisierung eher wohlgesonnene Verbandsräte werden in der Geschäftsführung der GmbH tätig. Dieses „Kooperationsmodell“ wird massiv mit zu erwartenden Preissenkungen beworben. Anfänglich scheint sich das zu bewahrheiten. Mittlerweile ist der TWVZV jedoch einer der teuersten Wasserversorger in Sachsen-Anhalt (362,52 €/Jahr für einen Dreipersonenhaushalt lt. Statistichem Landesamt - Zum Vergleich: Durchschnitt in LSA: Durchschnitt S-A 257,52 €/Jahr)

Nachdem Wolfgang Müller, der sich seit Jahren in der lokalen Bürgerinitiative „Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer Bad Bibra e.V.“ für moderate Gebühren und Abgaben engagiert hatte, im Jahre 2008 überraschend zum ehrenamtlichen Geschäftsführer des Zweckverbandes gewählt wurde, versuchte er, sich zunächst einen Überblick über die Verflechtungen von Eurawasser, GmbH und Zweckverband zu verschaffen. Er stößt dabei auf Ungereimtheiten, die in ihm Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit einiger Geschäftsvorgänge wecken. Er verlangt Aufklärung und stößt dabei zunächst auf Widerstand der Betriebsführung (Trinkwasser GmbH Saale-Unstrut) und sogar von den damailgen Verbandsauschussmitgliedern. Die fehlende Bereitschaft der Führung von Eurawasser, Einblick in wesentliche Dokumente zu gewähren, die sich immer wieder auf „Geschäftsgeheimnisse“ beruft und sich nicht verpflichtet sieht, dem gewählten ehrenamtlichen Geschäftsführer vom TWVZV „betriebliche Interna“ preiszugeben, führt zu Auseinandersetzungen.

Eurawasser ist darüber „not amused“ und geht gegen Müller rechtlich vor. Dieser erhält anwaltliche Abmahnungen und sieht sich – als dies nicht fruchtet – Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen ausgesetzt. Es kommt zu gerichtichen Verfahren.
Der Vorwurf, den Eurawasser u.a. gegen ihn richtet: Veröffentlichung vertraulicher Geschäftsinterna. Teilweise wird den Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen tatsächlich stattgegeben, teilweise kommt es zu Vergleichen und teilweise werden Anträge des Konzerns auch abgelehnt. Müller darf aber seitdem z B nicht mehr behaupten, dass die Geschäftsführer von GmbH und Eurawasser sich ihre Gehälter scheinbar „selbst festlegen“ dürften.

Wolfgang Müller ist ein streitbarer Mann und lässt sich hiervon nicht beeindrucken. Wenn es der Sache dient, geht er persönlichen Schwierigkeiten nicht aus dem Weg. Die Abrechnungen des Betriebsführerentgelts für Eurawasser erscheinen ihm nun teilweise nicht plausibel. Er beginnt, sich die Details der Vereinbarungen näher anzusehen. Dabei stößt er auf beachtliche Rechenfehler in der Abrechnung. Bei der Berechnung der Anpassung des Betriebsführungsentgelts wurden offenbar Zahlen des statistischen Bundesamtes über Jahre fehlerhaft interpretiert. Mit erheblichen Auswirkungen auf das von Eurawasser zu fordernde Entgelt. Eurawasser wird mit den neuen Berechnungen konfrontiert, prüft diese und räumt sofort Fehler ein. Es wird noch vor einer endgültigen Klärung des Sachverhalts binnen Tagen eine erste Tranche von knapp 1/2 Mill € an den TWVZV rücküberwiesen. Damit sollen wesentliche Überzahlungen für die Jahre 2003 bis 2009 erst einmal abgegolten sein. Vereinbart wird aber, dass der ganze Vorgang einer unabhängigen Prüfung unterzogen wird.

Schwierigen Fragen muss sich jetzt nicht nur die Geschäftsführung der Trinkwasserversorgung Saale-Unstrut GmbH stellen. Wie die MZ berichtet, wirft der GF von EURAWASSER Ralf Stolze das Handtuch als Geschäftsführer der Versorgungs GmbH und legt sein Amt zum 30. Juni nieder.

Wie kann es aber sein, dass erst durch den eigentlich „ungeschulten“ Blick eines ehrenamtlich tätigen Bürgers derartig krasse Überzahlungen aufgedeckt werden? Welche Rolle spielten in dieser Sache diejenigen, welche gut bezahlt darauf zu achten hatten, dass der TWVZV nur so viel Entgelt zu bezahlen hatte wie vertraglich vereinbart war? In welchem Licht müssen unvoreingenommenen Bürgern etwa geleistete „Bonuszahlungen“ für „erfolgreiche Arbeit“ vor diesem Hintergrund erscheinen? Welche Aufsicht übte die Gesellschafterversammlung der GmbH aus? Welche Rolle spielten die Abschlussprüfer? Weshalb funktionierte das interne Controlling bei Eurawasser nicht, dem Tochterunternehmen eines Weltkonzerns, das sich weltweit die hochkarätigsten Berater leisten kann?

Wieder einmal muss jedenfalls konstatiert werden, dass ein Modell von „Public Private Partnership“ ins Gerede kommt. Deutschland ist eines der wichtigsten Länder der GDF SUEZ-Gruppe in Europa. Hier konnte sich die Gruppe nach eigenen Angaben eine besonders eine starke Marktposition erarbeiten. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in verschiedenen Unternehmen ist GDF SUEZ besonders stark in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Energiedienstleistungen sowie im Umweltsektor vertreten.

Ausgerechnet in Frankreich aber, wo die „Global Player“ Veolia und Suez 8 von 10 Bürgern mit Wasser versorgen, wollen inzwischen wohl mehr als hundert Kommunen die Kontrolle über diese lebenswichtigen Dienste zurückholen. Darauf weist jedenfalls das Filmprojekt „Water makes Money“, hin, das im September deutschlandweit einen Dokumentarfilm über die Strukturen in der Wasserbranche in die Kinos bringen wird. Auch die Rolle des Suez-Konzerns wird dabei kritisch unter die Lupe genommen.

Eurawasser kommt der Vorgang im Bereich des TWVZV daher höchst ungelegen. So ist die prompte Reaktion des Unternehmens zu erklären, das offenbar erkannt hat, dass jedes Lavieren in dieser Frage ausgesprochen schädlich wäre. Vorwärtsverteidigung ist angesagt. Es ist zu begrüßen, dass das Unternehmen ohne Umschweife Fehler eingeräumt und sich ohne langes Verhandeln sofort zu dramatischen finanziellen Zugeständnissen bekannt hat. Gleichwohl bedarf es nun der Aufarbeitung und Aufklärung des Sachverhalts. Sollte Eurawasser der Auffassung gewesen sein, einen renitenten und engagierten neuen ehrenamtlichen Vorsitzenden des Trinkwasserzweckverbandes mit massiver rechtlicher Präsenz zur „Räson“ bringen zu können, hätte man sich – auch hier – verrechnet. Die Zivilcourage und das Engagement des Wolfgang Müller verdient höchsten Respekt. Es bleibt zu hoffen, dass die neue Einsicht des mächtigen Partners Eurawasser dazu führen wird, dem berechtigten Anliegen des Herrn Müller nach mehr Transparenz und unvoreingenommener Prüfung der Vorgänge entgegen zu kommen.

Wolf-R. Beck