Artikel vom 23.01.2016




Zahlreiche Bürgerinitiativen haben am Freitag in Magdeburg ihren Unmut über die Landespolitik und über das Vorgehen der Abwasserzweckverbände zum Ausdruck gebracht.

Die Bürgerinitiativen nahmen an einer Problemdiskussion teil, zu der die Eigentümerschutzgemeinschaft "Haus & Grund", Magdeburg, geladen hatte.
Anwesend waren auch der Innen-Staatsekretär Prof. Dr. Gundlach und der Fraktionsvize der SPD und deren innenpolitischer Sprecher, Rüdiger Erben. Am Rande der Veranstaltung schlossen sich 10 Bürgerinitiativen dem landesweiten Netzwerk "INKA" an.

Thematisiert wurden die von den Abwasserzweckverbänden im vergangenen Jahr versandten Beitragsbescheide für solche Forderungen, die aufgrund einer Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) nur noch bis zum 31.12. gelten gemacht werden konnten. Zum großen Teil handelte es sich dabei um Ansprüche gegen jene Eigentümer, die bereits zu DDR-Zeiten über einen Abwasseranschluss verfügten, aber auch um sonstige Beitragsansprüche, die aus unterschiedlichen Gründen über viele Jahre bisher nicht geltend gemacht worden waren.

Nach Informationen von "Haus & Grund" handelt es sich hier um 60.000 bis 80.000 Bescheide, die den Bürgern bis zum Jahresende 2015 ins Haus flatterten. Dr. Gundlach erklärte dazu, er könne die Zahl "weder bestätigen noch dementieren". Haus & Grund empfiehlt den Bürgern - ebenso wie INKA, vorsorglich Widerspruch gegen die Bescheide einzulegen.

Für den 28.02.2016 (17.00 Uhr) rufen die Bürgerinitiativen zu einer Demo vor dem Landtag in Magdeburg auf.

INKA hält die Bestimmungen des KAG, die es den Verbänden ermöglichte, bis zu 25 Jahre alte Investitionsmaßnahmen nachträglich abzurechnen, für verfassungswidrig.
Gestützt wird diese Auffassung von der sich verfestigenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die den Vertrauensschutz der Bürger und den Grundsatz der Rechtssicherheit höher bewerten als die fiskalischen Interessen der Verbände. Zuletzt hatte das BVerfG im November 2015 zur Rechtslage in Brandenburg die Auffassung vertreten, eine rückwirkende Erhebung von Beiträgen sei dort unzulässig.

Streitig ist nun welche Auswirkungen dieses Urteil auf die aktuelle Rechtslage in Sachsen-Anhalt hat.
Staatsekretär Gundlach sieht zwar keine unmittelbare Auswirkungen, räumt aber ein, dass er "nicht die Hand dafür ins Feuer legen würde, wie das Verfassungsgericht - sollte es angerufen werden - im Zweifel entscheidet". Rüdiger Erben plädiert für eine unvoreingenommene "externe Prüfung". Aus seiner Sicht muss die neue Rechtsprechung des BVerfG nachdenklich stimmen. Der Vertrauensschutz der Bürger werde dort nun deutlich gestärkt. Einige Passagen der Urteilsbegründung schlügen die Argumente, die das Land bewogen hätten, durch eine Übergangsregelung Altforderungen bis zum Ende des Jahres 2015 beitreiben zu können, den Befürwortern dieser Lösung womöglich aus den Händen.

Dr. Neumann vom Landesverband "Haus und Grund" wies darauf hin, das die Landesregierung die Möglichkeit hätte, selbst das Bundesverfassungsgericht anzurufen, um eine Klärung herbeizuführen.

Die Fraktion die Linke hat den namhaften Rechtsprofessor Dr. Franz mit der Vorbereitung einer Verfassungsbeschwerde beim Landesverfassungsgericht beauftragt. Zugleich wird an die Landesregierung appelliert, auf die Verbände einzuwirken, dass bis zur verfassungsrechtlichen Klärung die anstehenden Widerspruchsverfahren ruhen können, so dass nicht tausende Betroffener in ein Klageverfahren gezwungen werden.

Diese Forderung wurde auch übereinstimmend von den anwesenden Vertretern der Bürgerinitiativen erhoben.
Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen wurden erging der Appell an die Politik, verantwortlich zu handeln.