Artikel vom 19.04.2016




Das Initiativen-Netzwerk "INKA" und "Haus & Grund Sachsen-Anhalt e.V." unterstützen das Bemühen, die ungeklärten Rechtsfragen zur "rückwirkenden" Beitragserhebung in Sachsen-Anhalt einer grundsätzlichen rechtlichen Klärung zuzuführen.
Konkret wird ein Musterverfahren begleitet und finanziell abgesichert, das ggf. bis zum Bundesverfassungsgericht geführt werden soll.

Die Entscheidung des OVG vom 17.2.2016 hat leider viele offene Fragen nicht beantwortet. Völlig zu Unrecht ist es davon ausgegangen, dass das Aufsehen erregende Urteil des BVerfG zur Rechtslage in Brandenburg vom 12.11.2015 für Sachsen-Anhalt keine Bedeutung habe, weil - anders als in Brandenburg - hier schon immer die Verjährung erst mit dem Inkraftsetzen der ersten wirksamen Satzung beginnen konnte. In Brandenburg sei diese Regel erst später eingeführt worden und das BVerfG hätte erklärt, dass diese Änderung für Altfälle nicht rückwirkend Geltung beanspruchen könne. Das sei in Sachsen-Anhalt von Anfang an anders gesehen worden.

In der Ausgabe 3/2016 der Fachzeitschrift LKV weisen die Anwälte Dr. Heitmann (Halle) und Lars Mörchen aber nach, dass durchaus eine vergleichbare Problematik besteht.
Denn das OVG übersehe, dass seine Auffassung, schon die alte Rechtslage zwischen 1991 und 1997 habe zum Inhalt gehabt, dass es einer wirksamen Satzung bedürfe, um die Beitragspflicht zum Entstehen zu bringen, verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Vielmehr müsse die alte Vorschrift des § 6 Abs. 6 KAG-LSA verfassungskonform ausgelegt werden.

Dann aber erweise sich die am 09.10.1997 in Kraft gesetzte Änderung des KAG, welche das Inkraftsetzen einer wirksamen Satzung zur Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist mache, als rückwirkende Änderung einer bis dahin anderen Rechtslage - jedenfalls wenn man diese alte Rechtslage rückblickend verfassungsrichtig auslegt.

Damit stützt der Artikel die Auffassung von INKA und Haus und Grund. Das Brandenburger Urteil des BVerfG ist aus diesem Grund durchaus auf die Problematik in Sachsen-Anhalt übertragbar. Es verwundert, dass das OVG diesen wichtigen Punkt nicht rechtstheoretisch thematisiert hat.

Die Klärung dieser Fragen wird nun noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Denn vor Anrufung des BVerfG muss die sog. "Nichtzulassungsbeschwerde" zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eingelegt werden. Das ist ein spezielles Rechtsmittel, dass keine umfassende Prüfung vorsieht, sondern das nur dann erfolgreich sein könnte, wenn das BVerwG zur Auffassung gelangt, dass die zur Klärung der Problematik aufgeworfenen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind und der Rechtsentwicklung dienen können.

Bei klarer Rechtslage - also zB eindeutigen Verstößen gegen geltendes Recht wird das BVerwG die Beschwerde nicht zulassen, sondern die Betroffenen eher direkt an das BVerfG verweisen.

Die Klärung dieser Fragen wird nun geraume Zeit in Anspruch nehmen. Im Musterverfahren wurde die Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Das Verfahren dürfte einige Monate in Anspruch nehmen und vielleicht erst Ende des Jahres oder Anfang kommenden Jahres entschieden werden.

Die bei INKA vertretenen Bürgerinitiativen haben sich jedoch darauf eingestellt. Der "lange Atem" ist jedenfalls vorhanden.

Es wäre zu wünschen, dass die Verbände die vielen noch offenen Widerspruchsverfahren bis zur Klärung der Fragen ruhen lassen, um nicht zehntausende von rechtssuchenden Bürgern auf den Klageweg zu zwingen.

Wolf-R. Beck