Artikel vom 30.11.2016




Nach der Entscheidung des BVerfG vom 12.11.2015 zu den rückwirkend erhobenen sog. Altanschließerbeiträgen in Brandenburg streiten sich die Entscheidungsträger über den Umgang mit den Rückzahlungsansprüchen der Betroffenen.

Eine Rechtsverpflichtung zur Rückzahlung besteht nur für diejenigen Beitragszahlungen, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden war.
Beitragszahler, die kein Rechtsmittel gegen den Beitragsbescheid eingelegt hatten - oder über deren Rechtsmittel bereits rechtskräftig entschieden worden war, sollen hingegen leer ausgehen.

Die rot-rote Landesregierung will die zur Rückzahlung verpflichteten Verbände finanziell unterstützen. Die Unterstützung soll aber ausdrücklich nur für die Erstattung nicht bestandskräftiger Bescheide ausgereicht werden. Dies ist politisch umstritten.

Die CDU-Fraktion in Brandeburg fordert nun die Gleichstellung aller Betroffenen.Sven Pettke (CDU) formuliert die Haltung seiner Fraktion:

"Warum SPD und Linke vor diesem Hintergrund nicht bereit sind, alle rechtswidrigen Bescheide gleich zu behandeln, bleibt für uns nicht nachvollziehbar. Es ist gut, dass sich die Regierungskoalition nach langem Streit bewegt hat, aber so wie es jetzt gemacht wird, spalten SPD und Linke die betroffenen Brandenburger."

Nun ist für Sachsen-Anhalt interessant, wie die Parteien sich jeweils positionieren. Bisher hat sich hier vor allem die Fraktion "Die Linke" für die Belange der Betroffenen stark gemacht, während die alten Regierungsfraktionen CDU und SPD sich weitgehend weggeduckt haben und wie das Kaninchen vor der Schlange verharrten und die Klärung der Probleme lieber den Gerichten überlassen wollte. Man wird - mit Blick auf die Haltung der Parteien in Brandenburg - den Verdacht nicht los, dass die politische Einstellung der Parteien in dieser Frage davon abhängt, ob sie sich gerade in der Regierungsverantwortung befinden oder in der Opposition.

Die CDU befindet sich in Brandenburg in der Oppositionsrolle. Was würden sie ihren Parteifreunden in Sachsen-Anhalt raten? Und wären diese denn für solche Ratschläge empfänglich? Was hat die Linke Sachsen-Anhalts ihren Parteifreunden in Brandenburg geraten? Täuscht der Eindruck der ändert sich das Engagement der Parteien für die Belange der Bürger mit dem Eintritt in die Regierungsverantwortung?

Die von rechtskräftig gewordenen Entscheidungen Betroffenen in Brandenburg hoffen nun auf mögliche Staatshaftungsansprüche gegen das Land. Denn das Staatshaftungsgesetz der DDR gilt hier weiter. Es regelt eine verschuldensunabhängige Haftung für objektiv rechtswidriges Handeln der Landesbehörden, sofern hierdurch Vermögensschäden eingetreten sind.

Diese Hoffnung steht indessen auf wackligen Füssen. In einem Rechtsgutachten für die Landesregierung wird ein solcher Staatshaftungsanspruch nämlich in Frage gestellt.
Tatsächlich ist hier die Lage kompliziert. Denn für Staatshaftungsansprüche gilt das sog. "Spruchrichterprivileeg", d.h. gerichtliche Entscheidungen führen nicht zu Ersatzansprüchen. Das führt dann aber zu dem Paradoxon, dass jene Bürger in Brandenburg, die in der Vergangenheit gegen Bescheide geklagt und vor den Gerichten verloren hatten, keine Staatshaftungansprüche geltend machen können, während Bürger, die den Weg zu den Gerichten gescheut hatten, vom Spruchrichterprivileg nicht betroffen sind. Der Gutachter schreibt dazu:

"Damit würde der vom Spruchrichterprivileg intendierte Schutz der Rechtskraftwirkung und letztlich der Rechtssicherheit in das Gegenteil verkehrt, weil derjenige, der vorrangigen Primärrechts-schutz ergriffen hat, gegenüber demjenigen, der sekundären Schadens-ersatz erstrebt, benachteiligt wäre".

Das Gutachten plädiert daher für eine Einschränkung des Zurechnungszusammenhang zwischen Verwaltungshandeln und Schaden - mit anderen Worten: für einen Ausschluss des Staatshaftungsanspruchs in diesen Fällen.

Wie man sieht, sind hier viele Fragen juristisch ungeklärt. Die Politik scheint - wieder einmal - handlungsunfähig und überläßt die Betroffenen sich selbst. In Brandenburg läuft am 16.12. die Jahresfrist zur Geltendmachung solcher Ansprüche ab. Eigentümerverbände raten ihren Mitgliedern vorsorglich Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz geltend zu machen.

In Sachsen-Anhalt warten wir zunächst weiter auf die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts. Es ist damit zu rechnen, dass wir hier nach einer verfassungsrechtlichen Entscheidung vor ähnliche Fragen gestellt werden. Wie die Parteien hierzulande damit umgehen werden, kann man nur erahnen. Die bisherigen Erfahrungen lassen nichts Gutes erhoffen.

Wolf-R.Beck

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